Das profitorientierte Krankenhaus Corona: Missratene Pandemiekämpfung versus kapitalistischen Coronaursachen

Politik

Im Folgenden möchte ich zu einer linken Debatte zu Corona aufrufen und dabei einige Vorgaben, die für die Diskussion relevant sein könnten, machen.

Baden-Württemberg, November 2020.
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Baden-Württemberg, November 2020. Foto: Stesso (CC BY-SA 4.0 cropped)

14. Dezember 2020
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Auch in unterschiedlichsten linken Kreisen steht die Frage der Pandemiebekämpfung im Zentrum.

Warum aber das? Warum hebt man direkt auf Pandemiebekämpfung ab? Ist damit für die übergreifende Fragestellung Corona nicht zur Klärung dieser Problemlage einiges verpasst, sozusagen die Problemstellung ungut eingegrenzt, vielleicht sogar halbiert? Warum geht es nícht um Corona selbst? Was ist das und wo kommt das her? Das scheint für viele Linke bereits geklärt zu sein. Ich hingegen würde vorschlagen folgendermassen vorzugehen.
  • Woher kommen solche Krankheitserreger und was hat das mit dem Massstab kapitalistischer Produktion zu tun?
  • Wie wirkt sich der Massstab kapitalistischer Produktion auf das Immunsystem aus (Stichwort Lebensmittelindustrie, Umwelt)?
  • Wie ist der Umfang und die Qualität des Gesundheitswesens beschaffen und was hat dieser Zustand mit dem Massstab kapitalistischer Produktion zu tun?
Es scheint so, jedenfalls wenn man die Bekämpfung in den Mittelpunkt stellt, als würde uns Corona beinahe als ein natürliches Phänomen vorgestellt, das über uns hereinbricht und erst in der Art und Weise der Bekämpfung könne man nun das spezifisch Kapitalistische ausmachen.
  • „Die Corona-Pandemie ist nicht nur eine medizinische Krise, sie bedroht nicht nur Gesundheit und Leben vieler Menschen, sondern sie stellt die ganze Gesellschaft vor eine dramatische Belastungsprobe“, konstatiert die Linke. Konsequent wird nun die Frage in den Focus gerückt, ob und wie sich nun die schon vorhandene „soziale Spaltung“ entwickelt. Zutreffend wird dann im Folgenden die immer drastischere Verarmung weiter Teile der Bevölkerung angeprangert. (1)
  • Die MLPD setzt zentral, „Konsequenter Gesundheitsschutz statt Doppelmoral“ und fährt fort, „das Krisenmangement der Regierung ist gescheitert“ (2)
  • Auch die KPÖ steuert direkt auf den Umgang des Staates mit der Pandemie und den damit einhergehenden nicht notwendigen sozialen Folgen: „Die Beseitigung der Krisenfolgenbeziehungsweise ihre Abwälzung auf die breite Masse befeuert und verschärft jedoch den Klassenkampf von oben“ (3)
Die Beobachtungen der drei hier angeführten Gruppierungen sind ohne Zweifel zutreffend und beklagenswert. Stephan Kaufmann zeigt auf, was es bedeutet, sich in der schärfsten Krise seit Jahrzehnten zu befinden: "Mit einem Plus von 15 Prozent war der November der beste Monat, den der deutsche Aktienindex je erlebt hat." (4)

Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Problemstellung damit nur zur Hälfte oder anders formuliert verspätet angegangen wird.

Ein wie immer hinkender Vergleich dazu: Es wäre dann so, wie wenn man in der Flüchtlingsfrage erst dort ansetzt, wenn etliche arme Flüchtlinge im Mittelmeer rumschippern müssen und nicht wenige untergehen und wir nur die mangelnden oder überhaupt stattfinden Rettungsmassnahmen betrachten: Nicht aber die Ursachen, warum die armen - Menschen sich auf den Weg machen (müssen).

Sicher kann man bei Corona zunächst von einem Naturphänomen ausgehen, welches möglicherweise irgendwo im Urwald zu verorten wäre und potentiell auch in der Steinzeit eine Bedrohung darstellen würde. Nun werden aber durch industrielle Agrarwirtschaft, damit verbundenes Abholzen des Urwaldes und Vordringen einer Massenzivilisation überhaupt erst die Bedingungen und Möglichkeiten geschaffen, dass ein solcher Virus relevant wird. Auch in der hiesigen industriellen Tierhaltung entstehen beste Voraussetzungen für Pandemien. Rob Wallace (5) hat das überzeugend ausgeführt. Er legt ebenfalls dar, dass auch Ebola, Vogelgrippe, Schweinepest... hier in diesem Zusammenhang zu verorten sind. Notwendig werde nun in den nächsten Jahren eine Pandemiewelle nach der anderen über uns hinwegrollen. Insofern sei eine Fixierung auf Corona oder besser die Betrachtung von Corona als Ausnahmefall sachfremd. Wo und wie entstehen Zoonosen, lautet die übergreifende Fragestellung.

Das Mercosur-Abkommen bietet für die Argumentation von Wallace reichhaltiges Anschauungsmaterial. In diesem Abkommen soll ja wesentlich das Abholzen des Urwaldes im Amazonas für die dort verstärkt aufzubauende industrielle Viehzucht festgezurrt werden. (6) Durch einen Deal zwischen der Europäischen Union und dem südamerikanischen Staatenbund, an dem rund 20 Jahre gefeilt wurde, sollte die weltgrösste Freihandelszone entstehen. Das Vorhaben ist erst einmal vom Tisch.

In den dortigen Ländern leiden die arbeitenden Menschen oft genug unter mieser Entlohnung, ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen und mangelhafter gesundheitlicher Versorgung; Nutztiere werden behandelt wie Dreck.

Aber auch die Natur reagiert, zumindest dann, wenn sich Wirtschaft und Mensch in unbekannte Gebiete wagen und auf fremde Arten treffen. Oder auf zum Beispiel Viren, die sehr gefährlich werden können.

Bedenken wegen der drohenden Umweltzerstörungen im Amazonas und dem Klimaschutz sowie fehlenden Sanktionsmöglichkeiten bei Verstössen gegen den Umweltschutz mögen die EU-Parlamentarier dazu bewogen haben, dem Mercosur-Abkommen vorerst eine Absage zu erteilen. Hinfällig ist das Abkommen damit aber noch nicht, und so oder so bietet es sich an, mit dem Finger auf die grösste Virenschleuder des Planeten zu zeigen: der rücksichtslosen imperialistischen Wirtschaft (6).

Eine Rinderzucht auf der Alm, wie sie in den Alpenländern noch üblich ist, würde dann endgültig wegrationalisiert. Eine Studie der Universität Birmingham ergab, dass hohe Corona-Todesraten mit einer Massentierhaltung korrespondieren, gilt diese doch als „einer der Hauptverursacher der mikroskopisch kleinen Teilchen“ (6), also des Feinstaubes. Forscher des Max-Planck-Instituts wiesen auf, dass der Krankheitsverlauf durch Feinstaub sehr stark verschlechtert wird. In Deutschland seien 26% aller Todesfälle bei Corona auf Feinstaub zurückzuführen. (mm) Die Albert-Schweizer -Stiftung kommt in ihrem Artikel zum Schluss: „Um das Virus einzudämmen, sollten also auch die menschengemachten Emissionen verringert werden - allen voran die aus tierhaltenden Grossbetrieben“. (7)

Stimmen diese Annahmen, dann ist eine Fixierung auf Bekämpfung von Corona ohne Ursachenforschung und natürlich Ursachenbekämpfung zu betreiben mindestens als suboptimal zu betrachten.

Auch die Ernährungslage und die verheerenden Auswirkungen auf das Immunsystem der Menschen sind den Politiker bestens bekannt. Dass die Offensive der Zuckerindustrie alles andere als gesundheitsbekömmlich ist, Verfettung, Diabetes etc. nach sich zieht, weiss jeder. Ebenfalls weiss jeder, dass zuckerhaltigen Softdrinks für Kinder eine gesundheitlich Zeitbombe darstellen und die Schulkinder sich zunehmend in Richtung ihrer amerikanischen Artgenossen entwickeln. Dass ein desolates Immunsystem, welches dann allerlei Krankheitserregern (auch dem Coronavirus) nicht besonders gewachsen ist, die notwendige Folge ist, ist auch keine neue Erkenntnis.

Spahn hält einer Initiative gegen die Verzuckerung der Schülergetränke entgegen: Gut und schön, aber das müsse die Getränkeindustrie freiwillig machen, so der Gesundheitsminister, sozusagen marktwirtschaftlich gezwungen werden, wir würden doch nicht in einer Diktatur leben. So arbeitet die Politik - natürlich nur um die Zuckerindustrie zu befördern - mit grossem Fleiss daran, dass sich allerlei Krankheiten und auch Corona sich verbreiten kann.

Resumee: Es handelt sich bei Corona weder um ein Naturereignis noch sind die Erkrankungen als Kollateralschäden einer kapitalistischen Produktionsweise, sondern das Dreingeben der zwei Springquellen des Reichtums, nämlich der Arbeitskraft und der Natur, in die Produktion. So und nur so kann nun einmal nur der absolute Zweck dieser kap. Gesellschaft, nämlich Profit, hervorgebracht werden. Der Ruin von Mensch und Natur ist also als notwendig herzuleiten, weil diese beiden Elemente mit und durch ihrem Verschleiss den gewinnträchtigen Brennstoff einer kap. Produktion darstellen.

Die Gefährlichkeit des Virus als Zentralpunkt und die alternativen Denker

Es ist meines Erachtens nicht zielführend und auch nicht treffend, die Bezweiflung der Gefährlichkeit von Corona als zentrales Argument eines Grossteils der alternativen Denker anzunehmen. Die Gefährlichkeit steht nach meinen Diskussionserfahrungen mit Alternativen nicht so sehr im Zentrum, sondern die Verhältnismässigkeit wird befragt: Vor allem wird aber der all überall geübte Tunnelblick auf Corona als abschreckend empfunden. Andere Krankheiten würden abgewertet, dringend benötigte Operationen würden verschoben etc. Die Argumentationskette ist bekannt. Und all dies ist in der Tat bemerkenswert und erklärungsbedürftig.

Bei einer im September durchgeführten, auch journalistisch motivierten Reise durch Österreich habe ich 120 Interviews durchgeführt: Vom 4 Sterne Hotelbesitzer über Tankstellenangestellte, Bäcker, Zeitungsausträger, Apotheker, Bauern auf der Alm, Motorradfahrern und schliesslich auch den Ärztekammerpräsident der niedergelassenen Ärzte angehört. Dieser hat den Standpunkt, den unisono tatsächlich alle mir gegenüber vertreten haben: Corona sei eine ernstzunehmende Krankheit, die wir einhegen müssten. Aber wir müssten den Tunnelblick auf Corona zugunsten einer Gesamtbetrachtung aller Krankheiten aufgeben und ein tragfähiges Gesamtpaket schnüren. Ich habe keinen einzigen auch in vielen, darüber hinaus geführten Privatgesprächen Coronazweifler oder gar Coronaleugner angetroffen. (ebenfalls 6)

Die Stimmung in Deutschland unter den Bürgern scheint mir deutlich anders als in Österreich, zumindest zu dem genannten Zeitraum. Hierzulande herrscht nicht selten eine aggressive Stimmung. Selbst alte Freunde zerlegen sich über die Coronafrage und es werden sogar bisweilen so etwas wie Volksfeinde nicht gerade, aber gefährliche Elemente ausgemacht. Auch wer auch nur den Verdacht aufkommen lässt, eine alternative Meinung zu vertreten, wird rasch als Coronaleugner und Freund von Attila Hildmann identifiziert. Bemerkenswert ist auch, dass es Beschuldigungen bis hin zu Anzeigen von unten gibt, gegen solche, die vermeintlich gesetzliche Massgaben nicht eingehalten hätten.

Ich interpretiere das als Konsequenz der von oben, also der von der Regierung betriebenen Antiaufklärungspolitik, nämlich einer Angstschürung, die so bei manchem Bürger nun in der Folge gegen seine Mitbürger unreflektiert ausgelebt wird. Nach der anderen Seite feiert hier der unkritische Gedanke, es gehe doch um den individuellen Tod, den der Staat nun mit aller Mühe bekämpfen wolle, seine scheinbare Richtigkeit.

Das sollte man als Nationalismus pur auflösen. Hier ist kein Zentimeter Platz mehr für kritische Überlegungen - welcher Art auch immer. „Ich will aber nicht, dass meine Mutter, die jetzt im Altenheim liegt, stirbt“, ist ein von mir schon mehrfach gehörtes Argument mitten in einer Debatte über Corona. Damit ist das Ende einer Debatte eingeläutet. Der Kontrahent ist unwiederbringlich diskreditiert. Diesen moralischen Totschlag überlebt keiner. Merkwürdig! Einen Aufklärungsversuch für diese Merkwürdigkeit habe ich gerade unternommen.

Suitbert Cechura beispielsweise argumentiert anders. Bei seinen an sich aufklärerisch gedachten Sätzen an die Opposition, dass in dieser Gesellschaft Schädigungen als Lebensrisiko unterstellt und hinzunehmen sind, schlägt ein Stück weit in (ungewollte) Affirmation um. Warum ist sein Tenor nicht, ihr habt eure Beschränkung und Einkerkerung bemerkt, und ich - Cechura - erkläre nun, wie das mit den Zeiten vorher in eins geht.

Stattdessen wird rückwärtsgewandt argumentiert: Die Oppositionellen hätten was nicht verstanden, schliesslich sei es doch immer schon so gewesen. Eine solche Argumentation halte ich für nicht überzeugend und schon gar nicht dafür geeignet, einen kritischen Denkprozess bei dem Adressaten anzustossen. Ähnlich argumentiert Cechura weiter unten, wenn er bei den beklagten Reden über die Freiheitseinschränkungen festhält, das sei keine Besonderheit des jetzigen Zustandes.(8)

Ich würde vorschlagen, anknüpfend an dem, was Oppositionelle doch zutreffend bemerkt haben, gemeinsam zu befragen, handelt es sich bei dem identifizierten Phänomen um ein Zufälliges im Sinne von Einmaliges oder ein sich auch in anderen Zusammenhängen Zeigendes, also für die hiesige Gesellschaft wesentliches Phänomen. Also etwas, was für uns die Fragestellung aufwirft, warum sind Freiheitseinschränkungen nicht nur bei Corona, sondern überhaupt Gang und Gebe. Und welche Zwecke werden damit verfolgt. Teile ich diese Zwecke, möchte ich die oder erkenne ich die als einem freien Leben und einer Gesellschaft, wie ich sie mir wünsche, entgegengesetzt.

Die Masken

Warum gibt es keine offensive Aufklärung, wie mit welchen Masken umgegangen werden soll, wie oft soll man sie waschen, bei wie viel Grad. Warum erklärt das Spahn nicht in der Tagesschau und warum gibt es keine Flugblattaktion dazu.

Warum wirft - wenn die Maske schon so wichtig ist - der Staat nicht ganz andere Kapazitäten in die Produktion vernünftiger Masken und lässt immer noch Masken in Apotheken verkaufen, die bei einem Test, wie in WISO zu sehen, völlig versagen.

Warum rüstet der Staat nicht kostenlos 50 Millionen Deutsche mit der Profi Maske für 6,20 E aus - besser betuchte Leute könnten das ja selbst bezahlen. Das wären dann schlappe 300 Millionen Euro - ein lächerlicher Betrag. Wenn so ein reicher Staat wie Deutschland zweimal husten würde und das wollte, wären morgen die Produktionsstätten dafür da. Macht er aber nicht. Wieso ? Das sind auch Fragen von Querdenkern, zu denen ich nicht gehöre, mit denen ich aber diskutiere.

Bei Cechura bleibt am Ende die Aussage, dass der Staat aus Rücksicht vor einem wirtschaftlichem Niedergang - genauer vor den Interessen des Kapitals - keinen wirklichen, in der Sache gebotenen Lockdown betreibe, den er demgegenüber anempfehlen würde, der in einer kommunistischen Gesellschaft radikal stattfinden würde.(7)

Stephan Kaufmann

Dort würde laut Cechura alles bis auf das absolut Notwendige geschlossen. Auch in einer solchen Gesellschaft wird es aber meiner Auffassung nach vermutlich Abwägungen geben müssen zwischen anderen Notwendigen und möglichen Kollateralschäden. Eine Verordnung von hier und jetzt und irgendeiner weiss es ganz genau, wie es zu laufen hätte, gefällt mir überhaupt nicht. Wie wäre es, wenn man es mal dem „Verein freier Menschen“ (Marx) überlassen würde, wie die das zu handhaben gedenken, was die für schlau finden würden - zu ihrer Zeit , in ihrem Rahmen?

In einer Rätegesellschaft würde meiner Vorstellung nach so und nicht anders gedacht und gehandelt werden- zum Glück - eine Dekretierung von oben würde Grundprinzipien einer solchen Gesellschaft fundamental zuwiderlaufen.

Dass die obige Annahme nicht stimmig sein kann, zeigt schon mein genanntes Maskenargument. Ich teile hier und jetzt mal heuristisch, dass die Maske so viel bringt, wie behauptet. Gut. Dann her mit den Dingern und her mit der Aufklärung. Warum hat der Staat nicht beizeiten Masken von hoher Qualität produziert. Kann der das nicht, schafft der das nicht? Ein Staat, der über die beste Waffenschmiede der Welt verfügt, ob Panzer, Kampfflugzeuge, Schiesseisen aller Art, demnächst einen Flugzeugträger, das ist nicht glaubwürdig.

Aber noch nicht einmal 300 Mio. sind dem Staat das wert. Da wäre noch viel aufzuzählen, was der Staat tun könnte, ohne dass die Wirtschaft geschädigt wird, ohne einen noch grösseren Lockdown anzuordnen. Vom Desinteresse einen gescheiten Umgang mit Masken durchzusetzen, habe ich oben berichtet.

Jeden Tag ist zu hören, die Corona Betten seien vorhanden, aber das Pflegepersonal fehle. Das wird von Spahn und anderen wie ein Naturereignis dargestellt. Das ist es aber nicht. Es ist eine Folge der Rationalisierung im Krankenhaus, die im Kern auch erhalten bleiben soll. Wie passt das zur These der Staat schützt seien Wirtschaft? Überhaupt nicht.

Das profitorientierte Krankenhaus erhält für Corona Betten viel mehr als für normale Betten und streicht durch die Pflegekräfterationalisierung einen zusätzlichen Gewinn ein. Soll das geändert werden? Nein. (9)

Eine Analogie: Die Süddeutsche vermeldete kürzlich, dass in Bayern ein akuter Mangel an Kinderbetten besteht, der immer grösser wird. Als Ursache wird angegeben, dass die Fallpauschale für Kinderbetten deutlich niedriger ausfällt. Also wurden sie „sachgerecht“ umgewidmet. Derweil sterben an Krankenhauskeimen, die ebenfalls Folge der Rationalisierung sind 22 000 Patienten pro Jahr. Auch für die Beseitigung ist kein Geld da. Diese Toten werden als Sockeltote akzeptiert und für die nächsten Jahre prognostiziert.

Wo wäre das Problem, wenn es darum ginge, diese Missstände zu beseitigen. Welcher Wirtschaft würde der Staat damit schaden. Keiner. Aber umgekehrt übergreifend der Diktatur des Profits, dieses Mal ganz von ihm heraus. Die Bazooka, die Scholz so gerne zückt, bleibt im Keller. Hier geht es um Ausbeutung, um die Ausbeutung der Pflegekräfte. Dafür ist die Bazooka nicht vorgesehen. Dass dadurch die Coronabetten ihre Funktion nur mässig erfüllen können und dadurch wieder etliche Menschen, dieses Mal im Krankenhaus versterben aufgrund mangelnder Pflegekräfte, ist da locker einbegriffen.

Da wird das System bockig: Wir können doch nicht nur wegen den zusätzlicher Coronatoten unser privatwirtschaftliches Krankenhaus umstellen. Wir machen ja auch keine Offensive wie die Niederlande beispielsweise gegen die 21 000 Toten durch Krankenhauskeime. Der Profit muss auch im Krankenhaus rollen und alles andere ist gewissermassen kapitalistischer Naturzustand. Das hat hingenommen zu werden und wird es auch, weil es jeder einfach so als die organisierte Realität vor die Nase gesetzt bekommt. Zynisch beklagt Spahn dann noch in der Tagesschau den Pflegekräftemangel und erzählt zugleich, wie er ständig Coronakranke retten will.

Engels hat in seiner Schrift „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ 1845 die entsetzlichen Arbeits- und Lebensbedingungen der neuen Arbeiterklasse wesentlich in Manchester beschrieben, auch die dort entstehenden Epidemien. (10). Aber er hat festgehalten, dass Epidemien unter Ausbeutungsbedingungen entstehen und sich verbreiten. Die Cholera, später wurde ein Herd in irgendeinem Mülleimer ausgemacht, hat sich in den unter kapitalistischen Armutsbedingungen lebenden Menschen ausgebreitet.

Die gleiche Cholera hat es in Jahrzehnten nicht geschafft auch nur ein Mitglied der königlichen Familie niederzustrecken. Am Ende ist das arme Cholera im Park des Königshauses selber eingegangen - mangels eines Wirts oder ist wieder in die Armenviertel zurückgehupft und hat dort reichlich Nahrung gefunden. Die Cholera für sich ebenso wie das Corona für sich sind in kläglicher Situation, die benötigen für eine ihnen gemässe Ausbreitung nun einmal Bedingungen, wie sie der Kapitalismus idealerweise schafft.

Anders gesagt: Der Gegensatz, kommt das Virus aus der Natur oder aus der Gesellschaft, ist falsch. Irgendwo hockt es, von mir aus in einem Pangolin oder einer unbekannten Urechse und darf sich jetzt auf mit Antibiotika und mit anderem verseuchten massentiergehaltenen Tieren setzen und von dort zum Menschen spazieren. Im Urwald hätte es möglicherweise einen Amazonas Indianer erwischt, der vielleicht sogar daran gestorben wäre. Vielleicht wäre das Virus dann auch gestorben, weil kein Wirt mehr vorhanden war. Die anderen Urwaldtiere liessen sich dann wie die restlichen Indianer, wenn sie sich überhaupt begegnet wären , genauso wenig infizieren, wie die englische Königin von der Epidemie, von der, wie von Engels beschrieben, die englische Arbeiterklasse aber gewaltig heimgesucht wurde.

Klaus Hecker

Fussnoten:

1. Die Linke, Themenseite Corona, 04.04.2020

2. MLPD, Konsequenter Gesundheitsschutz statt Doppelmoral,

3. KPÖ (Steiermark), Corona, Krise und Kapitalismus

4. Stephan Kaufmann, Die Kursrakete, Neues Deutschland, 05.12.2020

5. Rob Wallace, https://shop.papyrossa.de/Wallace-Rob-Was-COVID-19-mit-dem-Agrobusiness-zu-tun-hat

6. Klaus Hecker, Der Imperialismus als Virenschleuder

7. Albert-Schweitzer-Stiftung, Fördert Feinstaub die Corona Sterblichkeit, 30.11.2020.

8. Suitbert Cechura, Es braucht nicht nur Mut zu einer Corona Debatte. Man muss sie auch führen, telepolis, 16.11.2020

9. Klaus Hecker, https://www.unsere-zeitung.at/2020/04/12/pflegekraefteimperialismus-in-zeiten-von-corona

10. Friedrich Engels, Die Lage der arbeitenden Klasse in England, http://www.mlwerke.de/me/me02/me02225.htm>